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Impuls zum 9. Juni 2024

Zum 10. Sonntag im Jahreskreis

Von Gerold König, pax christi-Bundesvorsitzender

Friede diesem Haus (Europa) oder „Nie wieder ist jetzt“

Einführung
Zwei Texte stehen im Mittelpunkt des heutigen Sonntags, die besser gar nicht zum Tag der Europawahl hätten passen können: Einmal der Text des Markusevangeliums, der sich mit der Spaltung befasst und zum anderen der Text aus Genesis, der sich mit Schuld, Schuldzuweisungen und Scham befasst. Haben die Verfasser dieser Texte damals schon ahnen können, vor welchen Herausforderungen wir in dieser Zeit, im Jahr 2024, stehen? Sicherlich nicht. Dennoch sprechen mir beide Texte aus der Seele, greifen Sie doch genau die Dinge auf, die uns alle stark beschäftigen. Ich bin noch gedanklich beim Katholikentag in Erfurt. Bundeskanzler Scholz teilte kurz vor seinem Auftritt in Erfurt mit, dass es richtig sei, deutsche Waffen aus der Ukraine zu Verteidigungszwecken auf das Territorium Russlands zu richten. „Das wird doch jede:r verstehen“. Nein, Herr Bundeskanzler, ich verstehe es nicht! Es muss doch andere Wege geben, für Frieden und Versöhnung einzustehen. Es muss doch jede:r verstehen, dass Frieden nicht mit Waffen erreicht werden kann. Der Militärbischof Overbeck unterstützte sogleich die Entscheidung der Bundesregierung und meinte, dass der Gegner in Russland „ähnlich Hitler“ sei. 

Mich hat das erschrocken. Vergessen scheinen die Gebote Jesu zu sein, die von Feindesliebe sprechen, vergessen scheinen die Friedensappelle in der Bergpredigt zu sein. Nicht Gespräch und Versöhnung sind angesagt, sondern Sieg und Krieg. Blauäugig und naiv seien wir, wenn wir glauben würden, dass dieser und viele andere Kriege durch Verhandlungen beendet werden könnten. Gerne bin ich blauäugig und naiv, wenn ich sehe, dass zweidrittel aller Kriege durch Verhandlungen gelöst werden konnten. Warum nicht dieser? Warum wird nicht einmal der Versuch gemacht, miteinander ins Gespräch zu kommen? Warum schweigen wir und werden nicht laut mit der Forderung, mehr für den Frieden zu tun, statt in Waffensysteme zu investieren?

Wie Adam Eva die Schuld für den Griff nach dem Apfel zuweist und Eva weiter die Schlange beschuldigt, suchen auch wir immer nur nach Schuldigen. Adam und Eva erkannten nur, dass sie nackt waren und schämten sich ob ihrer Nacktheit. Auch wir blicken oft nur auf uns. Nur – wir schämen uns nicht mehr unserer Nacktheit. Wir treten selbstbewusst auf und wissen immer schon im Voraus, was richtig ist. Nacktheit bedeutet, vor Gott bloßgestellt zu sein. Wir leben nicht mehr im Paradies, wir leben in einer neuen Welt und sind vor Gott bloßgestellt. Wir müssen erklären, warum es richtig ist, Menschen zu töten um zu siegen. 

Auch im Evangelientext spricht Markus von der Spaltung / der Entscheidung: „Wenn ein Reich in sich gespalten ist, kann es keinen Bestand haben“. An diesem Sonntag haben wir die Wahl. Wir haben erfahren, dass Demokratie ein hohes Gut ist. Wir haben aus der Erfahrung unserer Eltern und Großeltern gelernt, was passiert, wenn man Ideologien hinterherläuft. Wir wissen was in Auschwitz und vielen anderen Vernichtungslagern passiert ist. Und schon wieder sind sie da, die sagen, das war nicht so. Schon wieder sind sie da, die uns verführen wollen, nach dem Apfel zu greifen. Die uns vorgaukeln, demokratisch legitimiert zu sein. Damals haben sie uns gesagt, dass sie das Land groß und stark machen wollen. Damals haben sie uns gesagt, dass die Juden Schuld haben am Niedergang – wieder diese Schuldzuweisungen. Damals fanden sie Schuldige für alles, was nicht funktionierte: die Juden, die Homosexuellen, die Sinti und Roma, die engagierten Demokraten. Die Menschen wurden Schritt für Schritt Ihrer Rechte beschnitten. Viele haben damals die Rechten, die Braunen unterschätzt.

Heute tun sie es wieder. Sie reden schön und lenken von ihren eigentlichen Zielen ab.

Wir erinnern uns an die Worte „Nie wieder“! Nie wieder darf all das passieren. Wir werden achtsamer sein. Sind wir es?

„Nie wieder ist jetzt“ – Das will uns das Evangelium des heutigen Tages sagen: Wenn ein Reich in sich gespalten ist, kann es keinen Bestand haben, wenn eine Familie in sich gespalten ist, kann sie keinen Bestand haben“
Lassen wir uns nicht spalten! Seien wir einig in unserem Handeln und Tun, in unserer Sehnsucht nach Frieden. Stehen wir gemeinsam ein für Versöhnung. Diese Chance bietet uns unsere freiheitliche Grundordnung und die Demokratie. Da dürfen wir auch blauäugig und naiv sein und immer wieder auf Jesus verweisen, der die Feindesliebe praktiziert hat und der in der Bergpredigt eingeladen hat zu einem Leben miteinander ohne Hass und Streit.

Am heutigen Sonntag wird ein neues europäisches Parlament gewählt. Wir haben es in der Hand, diesem Haus Europa einen ständigen und nachhaltigen Frieden durch Versöhnung und Gespräche zu geben und uns nicht spalten zu lassen.

Kyrieruf
Wir stehen vor Dir und wissen nicht ein und aus.
Feindseligkeiten begegnen uns – Friede ist nicht in Sicht
Herr erbarme Dich
Wir stehen vor Dir mit leeren Händen
Wir sehen Not und Katastrophen, Streit und Entzweiung,
Hunger und Elend – Guter Rat ist oftmals nicht da
Christus erbarme Dich
Wir stehen vor Dir und hören die Rufe der Spalter
wir schweigen viel zu lange, wir verschweigen Deine Worte
Herr erbarme Dich

Lesung aus dem Buch Genesis 3, 9-15
Die Schlange hat mich verführt
Nachdem Adam die Frucht des Baumes gegessen hatte, rief Gott der Herr nach ihm und sprach: Wo bist Du?  Er antwortete: Ich habe deine Schritte im Garten gehört, da geriet ich in Furcht, weil ich nackt bin. Ich habe mich versteckt.

Darauf frage Er:  Wer hat dir gesagt, dass Du nackt bist? Hast du von dem Baum gegessen, vo dem ich dir zu essen verboten hatte? Adam antwortete: Die Frau, die du mir gegeben hast, sie hat mir von dem Baum zu essen gegeben. So habe ich gegessen.

Gott der Herr sprach nun zu der Frau: Was hast du getan? Die Frau antwortete: Die Schlange war es, sie hat mich verführt. So habe ich gegessen
Da sprach Gott zu der Schlange: Weil du das getan hast, bist du verflucht unter all dem Vieh und allen Tieren des Feldes.

Auslegung
Die Schlange hat mich verführt, darum habe ich gegessen – Eva hat mir von der Frucht gegeben, darum habe ich gegessen. Schulbewusst waren sie alle. Adam schämt sich. Er ist sich plötzlich seiner Nacktheit bewusst. Was bedeutet dieses Nacktsein? Mit dem Nacktsein wird dem Menschen sein ethisches, intellektuelles und sexuelles Bewusstsein klar, aber auch seine Begrenztheit: Schuld, Unwissen und Scham. Durch das Essen des Apfels vom verbotenen Baum haben sich Adam und Eva bloßgestellt.

Das Paradies war für sie zu Ende, sie traten in eine neue Welt, die von Scham und Schuld, von Rechtfertigung seiner Taten geprägt ist. Gott hat sie bloßgestellt und damit die Zeit der Schuld, der Schuldzuweisung und der Rechtfertigung eingeleitet.

Evangelium nach Markus 3,20 – 35
Jesus ging nach Hause und wieder versammelte sich eine Menschenmeng bei ihm, sodass seine Jünger nicht einmal Zeit zum Essen fanden. Als seine Angehörigen das erfuhren, machten sie sich auf den Weg, um ihn mit Gewalt zurückzuholen. Sie waren überzeugt, dass er den Verstand verloren hätte.

Die Schriftgelehrten, die von Jerusalem herabgekommen waren, behaupteten: Er steht mit dem Belzebub im Bund, er treibt Dämonen mit Hilfe der obersten Dämonen aus. Jesus rief sie zu sich, um ihnen eine Antwort zu geben: er gebrauchte dazu eine Reihe von Vergleichen.

„Wie kann der Satan den Satan austreiben?“ fragte er sie, „Wenn ein Reich in sich gespalten ist, kann dieses Reich nicht bestehen, wenn eine Familie mit sich im Streit liegt, kann diese Familie nicht bestehen. Wenn nun der Satan sich gegen sich selbst erhebt und mit sich selbst streitet, kann sein Reich keinen Bestand haben. Es ist aus mit ihm. Andererseits kann aber auch niemand in das Haus eines Starken eindringen und ihm seinen Besitz rauben, wenn er den Starken nicht vorher fesselt. Erst dann kann er sein Haus plündern. Ich sage Euch: Alles kann den Menschen vergeben werden, jede Sünde, die sie begehen und jede Gotteslästerung, die sie aussprechen. Wer aber dem Heiligen Geist lästert, dem wird in Ewigkeit nicht vergeben werden.“

Das sagte er zu ihnen, weil sie behaupteten, er habe einen bösen Geist.

Inzwischen waren seine Mutter und seine Geschwister gekommen. Sie blieben vor der Haustür stehen und schickten jemanden zu ihm, um ihn zu rufen. Die Menschen saßen dicht gedrängt um ihn herum, als man ihm ausrichtete, dass seine Mutter und seine Geschwister da seien und mit ihm sprechen wollten. „Wer ist meine Mutter, wer sind meine Geschwister?“ Er sah die an, die um ihn herumsaßen und fuhr fort: „Seht, das sind meine Mutter und meine Geschwister! Denn wer den Willen Gottes tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter!“

Auslegung
Jesus richtet sich gegen die Spalter und Streiter – in deutlichen Worten sagt er, dass der, der streitet, der spaltet, sich selbst verliert und aufgibt.

Darum treten wir ein für Versöhnung. Es gibt immer Wege und Möglichkeiten Streit und Spaltung zu überwinden. Oftmals liegt die Lösung im Dialog, dem ein intensives Zuhören vorausgeht. Sich in die Situation des Anderen versetzen, versuchen zu verstehen, warum er/sie so handelt wie er/sie es tut, nicht die Antworten schon kennen, bevor die Fragen gestellt sind, sind die Voraussetzungen Spaltung zu überwinden.
So können, wie auch schon in der Einleitung gesagt, Kriege überwunden werden. Immer nur nachlegen und aufrüsten, spaltet weiter und tiefer. Der, der spaltet und Streit vorantreibt, verliert sich letztendlich selber.

Fürbitten
Streit und Hass begraben, Worte und Taten verstehen, das fällt uns oftmals sehr schwer, wir verlieren uns in uns selbst und werden uneinsichtig. Wir wollen Wege suchen und finden, die uns der Versöhnung mit anderen näherbringen.

Der richtige Weg erscheint uns oft sonnenklar zu sein. Wir haben aber nicht genug zugehört und versucht, unser Gegenüber zu verstehen. Wir wollen Wege finden, einander zu verstehen und dadurch Versöhnung erreichen.

Was ist richtig, was ist falsch? Diese Fragen spalten uns, wir streiten über die richtigen Wege. Wir wollen die Orte suchen, an denen wir uns begegnen und austauschen können.

Die Kriege in der Welt töten Menschen, junge Menschen, Frauen, Mütter, Väter und Söhne. Sie alle hatten Träume und Visionen. Wir können ihrer aller Tod nicht zurückholen. Wir wollen aber Wege suchen und finden, die weiteres Töten verhindern.

Wir denken an uns selbst, an unsere eigenen Unzulänglichkeiten. Auch wir weisen Schuld zu und tun uns schwer, zu vergeben. Auch wir tragen manchmal zur Spaltung bei. Wir wollen Wege suchen, uns zu besinnen und uns unserer Unzulänglichkeiten bewusst werden.

Wir nehmen alle Bitten und Wünsche in unser Gebet mit auf, die unausgesprochen bleiben, die nicht ausgesprochen werden können. Wir wollen Wege finden, miteinander auch über Unaussprechbares ins Gespräch zu kommen

Vater unser und Segen
Das Gebet, dass Christus uns zu beten erlaubt hat, ist Bitte, Dank und Segen zu gleich.
So lasst uns mit diesem Gebet diesen Sonntag begehen in Frieden:

Vater unser
im Himmel
Geheiligt werde dein Name
dein Reich komme
dein Wille geschehe
wie im Himmel
so auch auf Erden
unser tägliches Brot
gib uns heute
und vergib uns unsere Schuld
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern
und führe uns nicht in Versuchung
sondern erlöse uns von dem Böden
denn dein ist das Reich
und die Kraft
und die Herrlichkeit
in Ewigkeit
Amen

So segne und behüte uns 
unser Vater
sein Sohn
und die hl. Geistkraft
Amen